Lieder & Gedichte aus der Schule


Hier findest du (neu) vertonte, also zum Lied gemachte traditionelle bzw. klassische Gedichte,

die oft in der Schule behandelt und gelernt werden -

in alphabetischer Reihenfolge:

 

  • April, April - der weiß nicht, was er will (Heinrich Seidel)
  • Bei einem Wirte wundermild / Einkehr (Ludwig Uhland)
  • Bunt sind schon die Wälder (Johann Gaudenz von Salis-Seewis)
  • Der Frühling ist die schönste Zeit (unbekannt)
  • Der Türmer / Türmerlied / Lied des Türmers / Lynkeus, der Türmer (Johann Wolfgang von Goethe)
  • Die drei Spatzen (Christian Morgenstern)
  • Die Gedanken sind frei (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)
  • Die Loreley / Lied von der Loreley (Heinrich Heine)
  • Ein winterliches Gedicht (Alexander Puschkin)
  • Guten Abend, schön Abend (Fritz Hugo Hoffmann / Ilse Naumikat)
  • Heidenröslein (Johann Wolfgang von Goethe)
  • Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland (Theodor Fontane)
  • Jetzt fängt das schöne Frühjahr an (volkstümlich aus dem Rheinland)
  • Leise rieselt der Schnee (Eduard Ebel)
  • Leise zieht durch mein Gemüt (Heinrich Heine / August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)
  • Maler Frühling / Der Frühling ist ein Maler (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)
  • Mondnacht (Joseph von Eichendorff)
  • November (Heinrich Seidel)
  • Osterspaziergang (Johann Wolfgang von Goethe)
  • Schneefllöckchen, Weißröckchen (Hedwig Haberkern)
  • Sehnsucht (Joseph von Eichendorff)
  • Weihnachten (Joseph von Eichendorff)
  • Winternacht (Joseph von Eichendorff)

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April, April - der weiß nicht, was er will (neue Kurzfassung)

Heinrich Seidel
(1842 - 1906)
 
April, April, der weiß nicht, was er will,
mal Regen und mal Sonnenschein,
mal fängt es auch noch an zu schnein.
April, April, der weiß nicht, was er will.
 
April! April, der weiß nicht, was er will.
Bald lacht der Himmel klar und rein,
bald schau'n die Wolken düster drein.
April, April, der weiß nicht, was er will.
 
Nun seht, nun seht,
wie's wieder stürmt und weht.
Und jetzt, oh weh, fällt auch noch dicker Schnee.
April, April, der weiß nicht was er will.
 
Hurra! Hurra!
Der Frühling ist doch da!
Denn alle Knospen springen
und alle Vöglein singen.
Hurra! Hurra!
Der Frühling ist doch da!
 
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Bei einem Wirte wundermild / Einkehr 

Ludwig Uhland 

(1787 - 1862)

 

Bei einem Wirte wundermild,
da war ich jüngst zu Gaste,
ein gold’ner Apfel war sein Schild
an einem langen Aste.

 

Es war der gute Apfelbaum,
bei dem ich eingekehret;
mit süßer Kost und frischem Schaum
hat er mich wohl genähret.

 

Es kamen in sein grünes Haus
viel' leicht beschwingte Gäste,
sie sprangen frei und hielten Schmaus
und sangen auf das Beste.

 

Ich fand ein Bett in süßer Ruh'
auf weichen, grünen Matten.
Der Wirt, der deckte selbst mich zu
mit seinem kühlen Schatten.

 

Nun fragt‘ ich nach der Schuldigkeit,
da schüttelt er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel.

 

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Bunt sind schon die Wälder

Johann Gaudenz von Salis-Seewis

(1762 - 1834)

 

Bunt sind schon die Wälder,
gelb die Stoppelfelder
und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
graue Nebel wallen,
kühler weht der Wind.

 

Wie die volle Traube
aus dem Rebenlaube
purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche, mit Streifen
rot und weiß bemalt.

 

Flinke Träger springen
und die Mädchen singen.
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben
zwischen hohen Reben
auf dem Hut von Stroh.

 

Geige tönt und Flöte
bei der Abendröte
und im Mondesglanz.
Junge Winzerinnen
winken und beginnen
frohen Erntetanz.

 

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Der Frühling ist die schönste Zeit

Verfasser unbekannt

(Annette von Droste-Hülshoff ist nicht die Verfasserin!)

 

Der Frühling ist die schönste Zeit.
Was kann wohl schöner sein?
Da grünt und blüht es weit und breit
im goldnen Sonnenschein.

 

Am Berghang schmilzt der letzte Schnee,
das Bächlein rauscht zu Tal.
Es grünt die Saat, es blinkt der See
im Frühlingssonnenstrahl.

 

Die Lerchen singen überall,
die Amsel schlägt im Wald!
Nun kommt die liebe Nachtigall
und auch der Kuckuck bald.

 

Nun jauchzet alles weit und breit,
da stimmen froh wir ein:
Der Frühling ist die schönste Zeit!
Was kann wohl schöner sein?

 

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Der Türmer / Türmerlied / Lied des Türmers / Lynkeus, der Türmer

Johann Wolfgang von Goethe

(1749 - 1832)

 

Zum Sehen geboren,
zum Schauen bestellt,
dem Turme geschworen,
gefällt mir die Welt.

 

Ich blick in die Feme,
ich seh in der Näh'
den Mond und die Sterne,
den Wald und das Reh.

 

So seh ich in allem
die ewige Zier
und wie mir's gefallen,
gefall ich auch mir.

 

Ihr glücklichen Augen,
was je ihr gesehn,
es sei, wie es wolle,
es war doch so schön!

 

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Die drei Spatzen

Christian Morgenstern

(1871 - 1914)

 

In einem leeren Haselstrauch
Da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

 

Der Erich rechts und links der Franz
Und mitten drin der freche Hans.

 

Sie haben die Augen zu, ganz zu,
Und obendrüber da schneit es, hu!

 

Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hats niemand nicht.

 

Sie hören alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

 

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Die Gedanken sind frei

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

(1798 - 1874)

 

Die Gedanken sind frei,

wer kann sie erraten?

Sie fliegen vorbei

wie nächtliche Schatten.

Kein Mensch kann sie wissen,

kein Jäger erschießen

mit Pulver und Blei.

Die Gedanken sind frei.

 

Ich denke, was ich will

und was mich beglücket.

Doch alles in der Still

und wie es sich schicket.

Mein Wunsch und Begehren

kann niemand verwehren.

Es bleibet dabei:

Die Gedanken sind frei.

 

Und sperrt man mich ein

im finsteren Kerker.

Das alles sind rein

vergebliche Werke.

Denn meine Gedanken

zerreißen die Schranken

und Mauern entzwei:

Die Gedanken sind frei.

 

Nun will ich auf immer

den Sorgen entsagen

und will mich auch nimmer

mit Grillen mehr plagen.

Man kann ja im Herzen

stets lachen und scherzen

und denken dabei:

Die Gedanken sind frei.

 

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Die Loreley / Lied von der Loreley / Ich weiß nicht, was soll es bedeuten

Heinrich Heine

(1797 - 1856)

 

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
dass ich so traurig bin;
ein Märchen aus alten Zeiten,
das kommt mir nicht aus dem Sinn.

 

Die Luft ist kühl und es dunkelt
und ruhig fließt der Rhein.
Der Gipfel des Berges funkelt
im Abendsonnenschein.

 

Die schönste Jungfrau sitzet
dort oben wunderbar;
ihr goldnes Geschmeide blitzet,
sie kämmt ihr goldenes Haar.

 

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
und singt ein Lied dabei.
Das hat eine wundersame,
gewaltige Melodei.

 

Den Schiffer im kleinen Schiffe
ergreift es mit wildem Weh;
er schaut nicht die Felsenriffe,
er schaut nur hinauf in die Höh'.

 

Ich glaube, die Wellen verschlingen
am Ende Schiffer und Kahn
und das hat mit ihrem Singen
die Loreley getan.

 

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Ein winterliches Gedicht

Alexander Puschkin

(1799 - 1837)

 

Erst gestern war es, denkst du daran?

Es ging der Tag zur Neige.

Ein böser Schneesturm da begann

und brach die dürren Zweige.

 

Der Sturmwind blies die Sterne weg,

die Lichter, die wir lieben.

Vom Monde gar war nur ein Fleck,

ein gelber Schein geblieben.

 

Und jetzt? So schau doch nur hinaus:

Die Welt ertrinkt in Wonne.

Ein weißer Teppich liegt jetzt aus.

Es strahlt und lacht die Sonne.

 

Wohin du siehst: Ganz puderweiß

geschmückt sind alle Felder,

der Bach rauscht lustig unterm Eis.

Nur finster stehn die Wälder.

 

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Guten Abend, schön Abend

1. + 2. Strophe Fritz Hugo Hoffmann (1891–1965);

3. Strophe Ilse Naumikat (1917–1999),

Letztere nach anderen Angaben 2. + 3. Strophe

 

Guten Abend, schön Abend,

es weihnachtet schon.

Guten Abend, schön Abend,

es weihnachtet schon.

Am Kranze, die Lichter,

die leuchten so fein.

Sie geben der Heimat

einen hellichten Schein.

 

Guten Abend, schön Abend,

es weihnachtet schon.

Guten Abend, schön Abend,

es weihnachtet schon.

Der Schnee fällt in Flocken

und weiß glänzt der Wald.

Nun freut euch, ihr Kinder,

die Weihnacht kommt bald.

 

Guten Abend, schön Abend,

es weihnachtet schon.

Guten Abend, schön Abend,

es weihnachtet schon.

Nun singt es und klingt es

eo lieblich und fein,

wir singen die fröhliche

Weihnachtszeit ein.

 

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Heidenröslein

Johann Wolfgang von Goethe

(1749 - 1832)

 

Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
war so jung und morgenschön,
lief er schnell es nah zu sehn,
sah's mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

 

Knabe sprach: "Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!"
Röslein sprach: "Ich steche dich,
Dass du ewig denkst an mich
und ich wills nicht leiden."
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

 

Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden.
Röslein wehrte sich und stach,
half ihm doch kein Weh und Ach,
musst es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

 

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Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Theodor Fontane 

(1819 - 1898)

 

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
ein Birnbaum in seinem Garten stand
und kam die goldene Herbsteszeit

und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
der von Ribbeck sich beide Taschen voll
und kam in Pantinen ein Junge daher,
so rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?"
und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn."

 

So ging es viel Jahre, bis lobesam
der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
wieder lachten die Birnen weit und breit.
Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
trugen von Ribbeck sie hinaus.
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
sangen "Jesus, meine Zuversicht"
und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"

 

So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht.
Der neue freilich, der knausert und spart,
hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
und voll Misstraun gegen den eigenen Sohn,
der wusste genau, was damals er tat,
als um eine Birn' ins Grab er bat.
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
sin Birnbaumsprössling sprosst heraus.

 

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab
und in der goldenen Herbsteszeit
leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
so flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn,
kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn."

So spendet Segen noch immer die Hand
des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

 

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Ich saz ûf eime steine (Ich saß auf einem Steine)

Walther von der Vogelweide 

(um 1170 - um 1230)

 

ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine:
dar ûf satzt ich den ellenbogen:
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben:
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keines niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
die wolte ich gerne in einen schrîn.
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze:
fride unde reht sint sêre wunt.
diu driu enhabent geleites niht, diu
zwei enwerden ê gesunt.

 

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Jetzt fängt das schöne Frühjahr an

Verfasser unbekannt 

(volkstümlich aus dem Rheinland)

 

Jetzt fängt das schöne Frühjahr an

und alles fängt zu blühen an

auf grüner Heid und überall.

 

Es blühen Blümlein auf dem Feld.

Sie blühen weiß, blau, rot und gelb.

Es gibt nichts Schöneres auf der Welt.

 

Jetzt geh ich über Berg und Tal,

da hört man schon die Nachtigall

auf grüner Heid und überall.

 

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Leise rieselt der Schnee

Eduard Ebel

(1839 - 1905)

 

Leise rieselt der Schnee,

still und starr ruht der See,

weihnachtlich glänzet der Wald,

freue dich, Weihnacht kommt bald.

 

In den Herzen ist's warm,

still schweigt Kummer und Harm,

Sorge des Lebens verhallt:

Freue dich, Weihnacht kommt bald!

 

Bald ist Heilige Nacht,

Chor der Kinder erwacht,

hört nur, wie lieblich es schallt:

Freue dich, Weihnacht kommt bald!

 

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Leise zieht durch mein Gemüt

Heinrich Heine (1797 - 1856) => 1. + 3. Strophe

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874) => 2. Strophe

 

Leise zieht durch mein Gemüt
liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
kling hinaus ins Weite.

 

Sprich zum Vöglein, das da singt
auf dem Blütenzweige;
sprich zum Bächlein, das da klingt,
dass mir keines schweige!

 

Kling hinaus bis an das Haus,
wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
sag, ich lass sie grüßen.

 

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Maler Frühling / Der Frühling ist ein Maler

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1798 - 1874)

 

Der Frühling ist ein Maler,
er malet alles an,
die Berge mit den Wäldern,
die Täler mit den Feldern:
Was der doch malen kann!


Auch meine lieben Blumen
schmückt er mit Farbenpracht.
Wie sie so herrlich strahlen!
So schön kann keiner malen,
so schön, wie er es macht.


O könnt ich doch so malen,
ich malt ihm einen Strauß
und spräch in frohem Mute
für alles Lieb und Gute
so meinen Dank ihm aus!

 

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Mondnacht

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

 

Es war, als hätt' der Himmel

die Erde still geküsst,

dass sie im Blütenschimmer

von ihm nun träumen müsst.

 

Die Luft ging durch die Felder,

die Ähren wogten sacht,

es rauschten leis die Wälder,

so sternklar war die Nacht.

 

Und meine Seele spannte

weit ihre Flügel aus,

flog durch die stillen Lande,

als flöge sie nach Haus.

 

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November

Heinrich Seidel

(1842 - 1906)

 

Solchen Monat muss man loben,
keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein
und so ohne Sonnenschein;
keiner so in Wolken maulen,
keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist 'ne wahre Pracht.

 

Seht das schöne Schlackerwetter
und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind
und so ganz verloren sind;
wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
und sie durcheinander wirbelt
und sie hetzt ohn‘ Unterlass:
Ja, das ist Novemberspaß!

 

Und die Scheiben, wie sie rinnen!
Und die Wolken, wie sie spinnen
ihren feuchten Himmelstau
ur und ewig, trüb und grau!
Auf dem Dach die Regentropfen,
wie sie pochen, wie sie klopfen!
Schimmernd hängt's an jedem Zweig,
einer dicken Träne gleich.

 

Oh, wie ist der Mann zu loben,
der solch unvernünft’ges Toben
schon im Voraus hat bedacht
und die Häuser hohl gemacht,
sodass wir im Trocknen hausen
und mit stillvergnügtem Grausen
und in wohlgeborgner Ruh'
solchem Gräuel schauen zu!

 

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Osterspaziergang

Johann Wolfgang von Goethe

(1749 - 1832)

 

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick.
Im Tale grünet Hoffnungs-Glück.
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
zog sich in raue Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur;
aber die Sonne duldet kein Weißes.
Überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farben beleben;
doch an Blumen fehlt's im Revier.
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

 

Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden.
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus Straßen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.

 

Sieh nur, sieh!, wie behänd' sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,
wie der Fluss, in Breit' und Länge,
so manchen lustigen Nachen bewegt.
Und bis zum Sinken überladen
entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel,
zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

 

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Schneeflöckchen, Weißröckchen

Hedwig Haberkern (1837 - 1901)

 

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
wann kommst du geschneit?
Du wohnst in den Wolken,
dein Weg ist so weit.

 

Komm, setz dich ans Fenster,
du lieblicher Stern,
malst Blumen und Blätter,
wir haben dich gern.

 

Schneeflöckchen, du deckst uns
die Blümelein zu,
dann schlafen sie sicher
in himmlischer Ruh’.

 

Schneeflöckchen, Weißröckchen,
komm zu uns ins Tal.
Dann baun wir den Schneemann
und werfen den Ball.

 

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Sehnsucht

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

 

Es schienen so golden die Sterne,
am Fenster ich einsam stand
und hörte aus weiter Ferne
ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
da hab‘ ich mir heimlich gedacht:
"Ach, wer da mitreisen könnte
in der prächtigen Sommernacht!"

 

Zwei junge Gesellen gingen
vorüber am Bergeshang,
ich hörte im Wandern sie singen
die stille Gegend entlang:
von schwindelnden Felsenschlüften,
wo die Wälder rauschen so sacht,
von Quellen, die von den Klüften
sich stürzen in die Waldesnacht.

 

Sie sangen von Marmorbildern,
von Gärten, die über’m Gestein
in dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
wo die Mädchen am Fenster lauschen,
wann der Lauten Klang erwacht
und die Brunnen verschlafen rauschen
in der prächtigen Sommernacht.

 

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Weihnachten

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

 

Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleuchtet jedes Haus,
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

 

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
tausend Kindlein stehn und schauen,
sind so wunderstill beglückt.

 

Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld.
Hehres Glänzen, heil′ ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

 

Sterne hoch die Kreise schlingen,
aus des Schnees Einsamkeit
steigt′ s wie wunderbares Singen. - 
O du gnadenreiche Zeit!

 

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Winternacht

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

 

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
ich hab′ nichts, was mich freuet.
Verlassen steht der Baum im Feld,
hat längst sein Laub verstreuet.

 

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume.
Da rührt er seine Wipfel sacht
und redet wie im Traume.

 

Er träumt von künft′ger Frühlingszeit,
von Grün und Quellenrauschen,
wo er im neuen Blütenkleid
zu Gottes Lob wird rauschen.

 

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